Die Beurteilung bauvertraglicher Fragestellungen erfordert immer die Bezugnahme auf den tatsächlichen Baubetrieb der Baustelle. Die Bauabwicklung vor Ort ist eine komplexe Situation, man denke an das erforderliche Zusammenspiel aller auf der Baustelle beteiligten ausführenden Unternehmungen samt den zahlreichen Lieferanten, weiters an den Auftraggeber samt seinen Gehilfen (Architekten, Ingenieure für Statik, Bauphysik, etc.), sowie weiters an die nötigen Kontakte mit den Behörden und auch an die unfreiwillig einer Bauabwicklung ausgesetzten Nachbarn. Häufig sind Bauführungen unter schwierigen äußeren Umständen (z.B. wenig Platz in Städten) oder auch erschwerenden Witterungssituationen zu erbringen.

Die baubetrieblichen Zusammenhänge und Konstellationen sind bei Baustellen des Hochbaus naturgemäß anders als im Tiefbau, unterschiedliche Bauverfahren samt deren Weiterentwicklungen kommen zum Einsatz. Die Errichtung einer Wohnanlage oder eines Hotels unter Koordinierung aller erforderlichen Gewerke (etwa Baumeister, Haustechnik, Innenausbau, sowie viele andere) erfordert andere Arbeitsvorbereitungen und Einsatz- bzw. Ablaufplanungen von Personal, Gerätschaften und Material im Vergleich zu Baustellen etwa des Erd- oder Straßenbaus. Was ein Baugerät (Bagger, Kran, Schalung) in Zeiteinheiten betrachtet leisten kann oder welche Leistung einer zusammengesetzten Mannschaft zugemutet werden kann, sind zentrale Fragestellungen des Baubetriebes.

Untrennbar mit Baubetrieb bzw. Bauabwicklung verbunden sind Quantität und Qualität der getätigten Kommunikation zwischen den Vertragspartnern während der tatsächlichen Bauführung. Wie wird der Bauvertrag tatsächlich gelebt, welche Eintragungen in Bautagesberichte oder -bücher werden wie oft bzw. in welcher Qualität vorgenommen, welche Schriftstücke werden erstellt, wie geht man miteinander um im Falle von Meinungsdifferenzen über Leistungserbringung oder Abrechnungsfragen, um nur einige Beispiele zu nennen.

Anhand dieser Sachverhalte zeigt sich wiederum, dass technische, wirtschaftliche, baubetriebliche und juristische Aspekte dermaßen miteinander verflochten sind und auf gestellte Fragen nur mittels Gesamtbetrachtung vernünftige Lösungen bzw. Antworten zu erreichen sind.